Wunder? Gibt es. Immer wieder
Veränderungen muss man auch wollen. Auch in unserer Kirche. Sonst passiert da gar nix.
Seit meinem 15-Lebensjahr bin ich in der evangelischen Kirche als Mitarbeiterin in der Jugendarbeit aktiv. Erst lange Zeit ehrenamtlich, dann schließlich hauptberuflich. Solange ich denken kann heißt es: „Die Kirche muss sparen und für Jugendarbeit ist einfach nicht genug Geld da“. Tja, was soll man da machen? Abgesehen davon, dass hier und dort versucht wird etwas Geld locker zu machen, gewöhnt man sich auch dran. Und nicht nur in der Jugendarbeit.
Insgesamt scheint unsere Kirche auf dem absteigenden Ast zu sein. So fühlt es sich jedenfalls gelegentlich an. Es kommen immer weniger Leute, Stellen können nicht besetzt, Kirchengebäude müssen verkauft werden und bittere Prognosen für die Zukunft werden ausgegeben: Es wird alles ganz schlimm!
Auf Dauer ist das ganz schön zermürbend. Es ist gar nicht so einfach das Fähnchen immer hoch zu halten, aktiv, kreativ und einladend zu sein, wenn um einen herum die Abrissbirne kreist. Im Gegenteil. Es demotiviert und lähmt. Dennoch: Man gewöhnt sich dran, arrangiert sich, ist bescheiden und richtet sich irgendwie mit dieser Einschränkung ein.
"Die Heilung des Gelähmten
1 Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit. 2 Und es wurde ein Mann herbeigetragen, der war gelähmt von Mutterleibe an; den setzte man täglich vor das Tor des Tempels, das da heißt das Schöne, damit er um Almosen bettelte bei denen, die in den Tempel gingen. 3 Als er nun Petrus und Johannes sah, wie sie in den Tempel hineingehen wollten, bat er um ein Almosen. 4 Petrus aber blickte ihn an mit Johannes und sprach: Sieh uns an! 5 Und er sah sie an und wartete darauf, dass er etwas von ihnen empfinge. 6 Petrus aber sprach: Silber und Gold habe ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf und geh umher! 7 Und er ergriff ihn bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich wurden seine Füße und Knöchel fest, 8 er sprang auf, konnte stehen und gehen und ging mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott. 9 Und es sah ihn alles Volk umhergehen und Gott loben. 10 Sie erkannten ihn auch, dass er es war, der vor dem Schönen Tor des Tempels gesessen und um Almosen gebettelt hatte; und Verwunderung und Entsetzen erfüllte sie über das, was ihm widerfahren war."
Der Mann im Bibeltext Apostelgeschichte 3; 1-10 fühlt sich nicht nur gelähmt, er ist gelähmt. Aber auch er hat sich mit der Situation arrangiert, sich eingerichtet mit den Einschränkungen denen er unterliegt. Muss er auch. Was bleibt ihm sonst für eine Wahl.
Wie sonst auch bittet er Besucher des Tempels um eine Gabe. An dem Tag erwischt er ausgerechnet Petrus und Johannes. Petrus sagt zu dem Gelähmten: „Sieh uns an!“. Dies tut er, denn wenn man etwas haben will, ist es gut dem Geber in seinen Wünschen entgegen zu kommen. Wie uns das moderne Fundraising leert - aber schon die Bettler von damals wussten – jeder Spender will in seinem Wesen wahrgenommen werden. Und nun erwartet er, dass er auch etwas bekommt. Doch das, was er bekommt, ist ganz anders, als er es erwartet hat. Nix ist mit Geld und Silber. Im Namen von Jesus Christus soll er aufstehen und umher gehen? Absurd! denke ich jedenfalls als Leserin, aber der Gelähmte lässt sich darauf ein. Er scheint Petrus ein großes Vertrauen entgegen zu bringen, denn er lässt sich von ihm aufhelfen und kommt tatsächlich in Bewegung. Wenn er nicht wollen würde, könnte Petrus an ihm rumziehen wie an einem nassen Sack. Nichts würde passieren. Aber er will und er vertraut darauf, dass etwas Gutes dabei raus kommt. Ganz anders als gedacht, aber echt gut.
Zwei Gedanken dazu:
1. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt
Eine Kollegin hat neulich eine Studie zum Ehrenamt vorgestellt. Ein Aspekt daraus war die Frage, warum die Befragten sich engagieren. Neben vielen anderen guten Gründen war mit etwa 60% die Antwort dabei: Weil ich gefragt wurde. Knaller! Einfach nur weil sie jemand gefragt hat! Ok, also einfach öfter mal fragen. Und, hier schließt sich der Kreis zum Predigttext, hätte der Gelähmte nicht um eine Gabe gebeten, wäre die ganze Heilung schlicht ausgefallen. So einfach ist das! Wer nicht fragt der nicht gewinnt.
2. Man muss schon auch wollen
Wenn wir Menschen einladen in unserer Kirche aktiv zu werden vertrauen wir dann darauf, dass daraus etwas echt Gutes wird? Lassen wir uns auf ihre Ideen, Träume und Vorschläge ein? Wollen wir das wirklich - auch wenn es ganz anders wird als von uns ursprünglich gedacht? Vertrauen wir darauf und sind offen dafür, dass uns jemand in Bewegung bringt? Oder haben wir uns schon so sehr an die Limitierung gewöhnt, dass wir gar nicht mehr die Vision von einer lebendigen Kirche im Kopf und im Herzen haben?
Ich wünsche euch und mir, das wir wie das Volk in Vers 10 staunen und ganz außer uns sein werden, wenn uns etwas Unerwartetes geschenkt wird. Etwas, was wir vielleicht nicht erwartet haben, aber etwas echt Gutes. Und zwar staunen und außer sich sein im besten positiven Sinne – nämlich vor Freude und Hoffnung auf viel Bewegung. Denn Wunder gibt es. Immer wieder.