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Trotz alledem…

Hoffnung säen

Auf der Fensterbank in meiner Küche stehen momentan fünf ausrangierte blaue Erdbeerschalen. Darin ist Erde. Jeden Morgen nach dem Aufstehen führt mich mein erster Gang momentan zu diesen Schalen. Noch bevor ich den Kaffee aufsetze, schaue ich nach, ob da über Nacht etwas passiert ist.

„Hoffnung säen“, so hat meine Oma diese Arbeiten im Vorfrühling genannt. Wenn Bäume und Sträucher draußen noch unbelaubt sind, wenn die Erde im Garten noch zu kalt ist, um etwas zu pflanzen – dann zauberte sie alljährlich kleine Tütchen aus ihrer Kittelschürze.

Spinat, Möhren und Pastinaken waren die ersten, die in die Erde kamen – sie sind robust und vertragen auch kältere Nächte, wie wir sie an diesem Wochenende noch einmal bekommen werden.

Seit ein paar Jahren baue ich mein Gemüse selbst an. Früher fand ich das spießig – doch mittlerweile fasziniert es mich, zu beobachten, wie sich aus kleinen, schrumpeligen, grauen und brauen Körnern schon nach wenigen Tagen die ersten grünen Stängel herausschälen und wie sich die winzigen Pflanzen der Sonne entgegenstrecken.


In den blauen Erdbeerschalen schlummern Paprika und verschiedene Tomatensorten. Sie brauchen nicht nur Licht und Wasser, sondern auch Wärme, um zu keimen. Darum wohnen sie erstmal im Haus.

Während ich warte, dass sich in meinen Töpfchen etwas tut, wandern meine Gedanken in diesen Tagen oft nach Osten, in die Ukraine. Dort wächst normalerweise Weizen, sehr viel Weizen. Nahrung für Menschen in aller Welt. In diesen Tagen müssten wohl die Böden vorbereitet werden, um das Getreide zu säen – stattdessen fallen Bomben, brennen Häuser, sterben Menschen. Wer denkt schon ans Säen, wenn er um sein Leben fürchten muss? Wie soll da Hoffnung wachsen?
 
Neulich war ich mit meinen Freundinnen auf einem interreligiösen Friedensgebet. Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften und Vereine trafen sich, um miteinander zu beten: Für Toleranz, für Mitmenschlichkeit – und vor allem: Für Frieden in der Welt, in der Ukraine, hier bei uns in der Heimat – und in den Herzen.

Protestantinnen und Juden, Muslima und Bahai, Orthodoxe und Katholiken brachten ihre Gebete vor. Alle ein bisschen unterschiedlich – und doch mit einem gemeinsamen Kern: Barmherziger Gott, hilf uns, steh uns bei, schenke uns Kraft und zeig uns den Weg zum Frieden.


Im Gemüsegarten habe ich gelernt: Nicht alles liegt in meiner Hand. Ich kann den Boden bereiten. Zur rechten Zeit die passenden Samen ausbringen. Ich kann säen und gießen und jäten. Das ist mein Beitrag. Aber ob die Saat aufgeht, das liegt in der Hand eines anderen. Ich hoffe – und gebe manches vertrauensvoll in die Hand des großen Gärtners.
Bibelstellen zur Andacht:
Jes 61,11 - 1
Autor: Niki

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