sammlung

Papa, kann ich ein Eis?

Zum Gleichnis vom bittenden Freund

In der Dorfkneipe meiner Eltern stand eine Eistruhe voll mit süßen Herrlichkeiten aus Zucker, Fruchtaromen, Farbstoff, Milch, Schokolade, Nüssen, Gebäck...Wenn ich meinen Vater im grammatikalisch laxen Ostwestfälisch fragte: „Papa, kann ich ein Eis?“, sagte er jedes Mal „Ja“, ich ging zur Truhe, wählte und verschlang es – gern auch vier Mal täglich, es war ja schließlich im Überfluss vorhanden. Nur vorher fragen musste ich.
Und dann kam der schwarze Freitag. „Papa, kann ich ein Eis?“
„Nein, jetzt nicht. Nicht vor dem Mittag.“
Meine Mutter hatte ihn wohl instruiert, weil ich mittags mein Essen immer so lustlos und im Schneckentempo verzehrte.
Ich war außer mir vor Entrüstung, heulte und brüllte das ganze Haus zusammen. Was war ich nur für ein absonderliches Rotzblag?

Wenn Eltern einem Kind jeden Wunsch erfüllen, jederzeit, konsequent und ohne Grenzen, dann wird das Kind zum Tyrannen, hält es für selbstverständlich, alles zu bekommen, was es begehrt, verfügt über null Frustrationstoleranz und empfindet es als schwerwiegenden, persönlichen Affront, wenn ihm die gewohnte Erfüllung seiner Wünsche verweigert wird.
Warum erzählte Jesus dann ausgerechnet diese Geschichte?

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Menschen, die einen immer wieder bestürmen, etwas für sie zu tun oder die penetrant betteln, so dass man befürchtet, sie könnten gleich direkt in einen hineinkriechen, erzeugen eher ein Nein-Gefühl. Es sei denn, wir erkennen ihre Verzweiflung und glauben, dass sie echt ist.
Als Kind verstand ich dieses Gleichnis als Bild eines mich über alle Maßen verwöhnenden Gottes: einfach eindringlich bitten, dann erfüllt Gott mir jeden Wunsch. Ich wurde natürlich enttäuscht. Also nur die ganz dringenden Wünsche, die existenziellen und immateriellen, dachte ich dann als Jugendliche. Aber meine große Liebe interessierte sich nicht für mich, mein Vater starb viel zu früh und mein Gottvertrauen schrumpfte, bis es sich schließlich ganz auflöste.

Vielleicht geht es ja in erster Linie nicht um das Wünschen, sondern um das Bitten. Wer aggressiv an eine Tür hämmert und brüllt, erzeugt Angst und Abwehr und muss draußen bleiben. Wer dagegen leise klopft, dem wird vertrauensvoll geöffnet.
Wer sich hinsetzt und klagt, dass das Leben ihn betrogen hat und nicht bereit ist, sich anzustrengen, der wird weiterhin leer ausgehen. Wer sich dagegen auf die Suche nach Lösungen macht, bereit, auch mehrfaches Scheitern hinzunehmen, wird am Ende etwas finden, das sein Leben reicher macht.

Wenn ich dahin komme, dass es nicht selbstverständlich ist, alles vorzufinden, was ich brauche und vieles darüber hinaus, sondern mir bewusst mache, was ich wirklich brauche und auch von anderen Menschen deren Dienstleistungen nicht selbstverständlich in Anspruch nehme, sondern höflich bitte, das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass meinem Wunsch in der gleichen Freundlichkeit entsprochen wird, um ein Vielfaches. Das ehrliche Dankeschön kommt mir dann ganz automatisch über die Lippen.

Und worum bitten wir Gott? Das hat Jesus in den ersten Versen dieses Kapitels erklärt: mit den sieben Bitten des Vaterunsers, da ist alles Wesentliche drin. Aber es schadet nicht, auch wegen der Details immer wieder nachzuhaken, Stoßgebete, Opferkerzen, ja und andere Menschen bitten, denn gerade in denen begegnet Gott uns jeden Tag.
Bibelstellen zur Andacht:
Lk 11,5 - 13
Autor: Tine

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