sammlung

Mut zur Zukunft

Von sauren Trauben und stumpfen Zähnen

Da gibt einem der Prophet Hesekiel am 3. Sonntag nach Trinitatis reichlich zu denken.

Wer saure Trauben isst (oder frischen Spinat, mit der vollen Oxalsäure) bekommt stumpfe Zähne. Die Säure raut den Zahnschmelz auf. Das wird eigentlich nicht von Eltern auf ihre Kinder übertragen. In einem alten jüdischen Sprichwort ist aber genau davon die Rede.
Ich muss beim Lesen dieses Verses immer denken: Genau! Die vergangen Generationen haben falsche Entscheidungen getroffen und zu gierig gelebt und die kommenden Generationen müssen damit fertig werden. Passt doch. Unsere Eltern haben sich mit sauren Trauben vollgestopft, als gäbe es kein Morgen, wir und erst recht unsere Kinder haben jetzt die stumpfen Zähne. Klimawandel, Ressourcen-Knappheit, Überbevölkerung, Demokratie-Zersetzung, Wettrüsten, Kriege überall.
Nur sind die gebeutelten Stumpfzähne von heute meistens die Traubenfresser von morgen. In jeder Generation gibt es eine überwiegend nicht so nachhaltige Mentalität.

Man könnte meinen, Gott will uns mit dem Klimawandel für die Sünden unserer Eltern und Großeltern bestrafen. Aber der Prophet Hesekiel verkündet eine ganz andere Gottesgerechtigkeit. Niemand soll für die Fehler seiner Eltern zur Rechenschaft gezogen werden, nur für die eigenen.
Wer es gut macht, soll dabei bleiben, wer es bisher vergeigt hat, soll sich umorientieren, dann besteht immer die Chance, das Ruder herum zu reißen.
Und das ist das schöne an diesem Gottesbild: Kein grausamer, rachsüchtiger Gott, der gern mal etwas totschlägt, sondern einer, der das Leben um jeden Preis erhalten will, es aber nicht kann, wenn Menschen alles tun, was dem Leben schadet. Darum sollen Menschen die Richtung wechseln, die alten Fehler hinter sich lassen und neu anfangen.

Das hört sich so einfach an, aber wie geht das eigentlich? Wie oft habe ich längst verstanden, was das Richtige wäre, aber dann dusche ich doch eine halbe Stunde, weil mich das so schön entspannt, grenze die Nervensäge aus, weil sie mir sonst den ganzen Spaß verdirbt, teile meinen Reichtum viel zu wenig, weil ich mein Leben genießen möchte.
Wie oft habe ich schreckliches Mitleid, mit Menschen, die Hilfe brauchen, weiß aber nicht, wie das am besten funktioniert, habe zu wenig Informationen und keinen guten Plan.
Nur einfühlsam zu sein reicht ebenso wenig aus wie nur besonders klug zu sein.

Ein neues Herz und ein neuer Geist – beides zusammen, das ist wichtig: Gefühl und Verstand, Haltung und Vernunft. Nur wenn beides Hand in Hand geht und sich gemeinsam, aufeinander abgestimmt verändert, kann auch ein nachhaltiger Wandel stattfinden, zu einer Menschheit, die das Leben liebt und erhält. Und wir dürfen darauf vertrauen, dass wir Teil von etwas Großem sind, das das Leben ebenso erhalten will, auch unseres.
Bibelstellen zur Andacht:
Ezechiel/Hesekiel 18,1 - 32
Autor: Tine

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