Liebe auf Ruhrgebiet
Zwischen den Zeilen liegt das Kompliment
„Hömma, du Idiot, lass den Blödsinn. Ich komm dir gleich rüber“
„Was denn? Willste eine aufs... „
„Du blendest alle – die Nebelschlussleuchte ist noch an“
„Ah so, ja. Danke, ne!“
„Ja.. bitte! Komm, jetzt.. fahr auch endlich...“
So klingt das Ruhrgebiet - besondere Menschen, die sich liebevolle Worte in allumfassender Zuneigung zusprechen. Das meine ich ernst. Ich mag die Sprache. Denn entscheidend ist oft, was zwischen den Zeilen passiert. Da kann eine Beleidigung mal schnell zu einem Kompliment werden.
Aber was ist mit den Menschen, die gerade hier angekommen sind? Im Ruhrgebiet oder sonstwo. Die sich gerade sortieren müssen, alles verloren haben und hier ihre neue Heimat finden? Und die auch das allerfeinste Hochdeutsch nicht verstehen. Ich frage mich, wie ich helfen kann. Ich frage mich, was hilft? Ich werde fragen müssen – in meiner oder ihrer Sprache. Ich kann helfen, das weiß ich. Wie? Das kann ich nur herausfinden, wenn ich es ausprobiere und anfange. Ich habe gerade jemandem auf Französich erklärt, wie es zum Bahnhof geht. Französisch spreche ich gar nicht. Aber die Translation-App auf meinem Handy.
Ich feiere es, dass wir in der Lage sind, uns mit liebevollen Worten zu begegnen. Auch wenn es in einer fremden Sprache ist und die Worte nur aus Anweisungen wie ´Geradeaus und dann nächste links´ bestehen. Denn entscheidend ist, was zwischen den Zeilen passiert. Für die Person, der ich mit schrecklichem Französisch den Weg zur Bahn erläutert habe, waren meine Anweisungen ein kleiner Lichtblick.
Jan Primke