sammlung

Krise

Sie kommt nicht von ungefähr

„Ich krieg die Krise“, sag ich gern, wenn mich irgendwas nervt, wenn was absolut nicht so läuft, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich hab einen wichtigen Termin und fahr schon bei der Auffahrt auf die Autobahn in den Stau. Dann weiß ich nicht wohin mit meinem Ärger, rauf‘ mir die Haare, schreie rum: „Ich krieg die Krise.“ Vor ein paar Wochen hab ich gelernt, dass das streng genommen nicht stimmt. Jedenfalls nicht im Sinne der Psychologen. Die sprechen von einer Krise, wenn jemand etwas erlebt, was er nicht verarbeiten kann oder wenn er keine Lösung mehr weiß. Für den Betroffenen ist das schmerzvoll, es wirft ihn aus der Bahn.
Seit ich das weiß, werde ich aufmerksam, wenn ich die Wortschöpfung “Flüchtlingskrise“ höre. Das Wort ist ja in aller Munde. Nur: was es bedeuten soll, wird nicht erklärt.
Deshalb bin ich heute tatsächlich froh, dass ich irgendwann mal griechisch gelernt habe. Dank meiner Lehrerin weiß ich, dass krisis mit „Entscheidung“ übersetzt werden kann.
Eine Krise kommt nicht von ungefähr und sie verschwindet nicht von selbst. Und manchmal können diejenigen, die in der Krise stecken, diese Entscheidungen gar nicht treffen, sondern sind auf Hilfe von außen angewiesen. Und da bin ich gefordert. Im Bezug auf die Flüchtlingsfrage bedeutet das für mich das Wohl aller im Blick zu haben. Ich kann im kleinen Rahmen entscheiden, ob und wie ich mich für flüchtende Menschen engagiere. Das ist dann eine Entscheidung für die Menschen, die oft vieles verloren und schreckliches erlebt haben, völlig aus der Bahn geworfen wurden und Unterstützung brauchen, um langsam wieder neu anfangen zu können.

Beate Raguse

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