sammlung

Gott ist da

Erfindung für die Radioandacht

Letzten Donnerstag hat er wieder bei mir geklingelt. Donnerstags fährt Gott nämlich immer in die Stadt zum Einkaufen. Und dann macht er einen Zwischenstopp. Wir trinken eine Tasse Kaffee und reden über ihn, mich und die Welt. „Sag mal“, wollte ich wissen, „wenn wir hier am Küchentisch sitzen, dann bist du doch ganz hier, oder? Also – so wirklich.“ Er runzelte die Stirn. „Was meinst du mit ‚wirklich‘? Dass ich dir sozusagen mit Haut und Haar gegenübersitze?“ „Ja genau. Sonst könnten wir uns doch nicht miteinander unterhalten.“ „Verstehe“, sagte er. „Aber die Sache ist schon etwas komplizierter.“ „Nämlich wie?“, bohrte ich nach. „Na ja. Wenn man es genau nimmt, ist es genau umgekehrt. Ich bin hier – und du nicht.“ Ich war verwirrt. „Das ist in der Tat kompliziert. Wieso sollte ich nicht hier sein?“ „Weil du im Gegensatz zu mir nicht real bist. Dich gibt es nur jetzt. In diesem Augenblick. Jemand hat dich für eine Radioandacht erfunden.“ „Na toll“, sagte ich beleidigt. „Ja“, sagte Gott. „Das ist es wirklich. Und zwar deswegen, weil ich so nicht nur hier bei dir auf der Küchenbank sitze, sondern gleichzeitig bei zig anderen Menschen bin. Ganz real.“ „So betrachtet macht es natürlich Sinn“, wollte ich eigentlich noch antworten. Aber das ging schon nicht mehr, weil meine Sendezeit zu Ende war. Ganz im Gegensatz zu der von Gott.

Florian Schmitz-Kahmen

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