Godsapp

"Hier bei dir zu sitzen ist viel schöner."

Letzten Donnerstag hat er wieder bei mir geklingelt. Donnerstags fährt Gott nämlich immer in die Stadt zum Einkaufen. Und dann macht er einen Zwischenstopp. Wir trinken eine Tasse Kaffee und reden über ihn, mich und die Welt. „Weißt du, was mir total auf den Wecker geht?“, fragte ich ihn, kaum dass er reingekommen war. „Dass alle Welt nur noch mit dem Smartphone rumdaddelt. Die Dinger sind die reinste Seuche.“ „Ich seh´ das nicht so eng“, schmunzelte er. „Hauptsache, ihr habt Spaß.“ „Also für mich hört der Spaß auf, wenn man sich nicht mehr richtig unterhalten kann“, antwortete ich patzig. „Dauernd bimmelt es. Oder jeder meint, er müsse nur ganz schnell was schreiben.“ „Könnte das nicht auch an der Unterhaltung liegen?“, entgegnete Gott. „Eben weil sie nicht so unterhaltsam ist?“ „Ich kapiere nicht, was du meinst.“ „Na ja“, sagte er, „es geht doch nicht darum, irgendwelches Zeug zu posten. Zum Erzählen gehört mehr. Echtes Interesse haben. Fragen stellen. Also, wie es dir geht; wie du dieses oder jenes siehst; und so weiter. All das kriegst du übers Handy nicht hin. Und wenn ich von Spaß rede, meine ich nicht, Smileys verschicken. Dein eigenes Lachen, Weinen, oder was weiß ich, können sie nicht ersetzen. Das beste Beispiel dafür ist die Wut, die ich gerade in deinen Augen sehe.“ „Natürlich bin ich wütend! Und sorry, wenn ich das so sage: aber du bist gerade echt weltfremd.“ „Jepp“, antwortete er lachend, „das bin ich; und ich finde es gut. Hast es ja selbst gesagt: was alle Welt so macht, geht dir auf den Wecker. Und deswegen käme ich auch nie auf die Idee, dir ne GodsApp-Nachricht zu schicken. Hier bei dir zu sitzen, ist viel schöner.“

Florian Schmitz-Kahmen