Ein Funke jenes ewigen Lichts in uns
Eine Andacht zum Bethlehemer Friedenslicht
Ich habe euch heute ein Licht mitgebracht.
<Eine Kerze in einer Laterne>
Als Gemeindepfarrer habe ich jahrelang Sommercamps für Kinder und Jugendliche geleitet. Übernachtet wurde in umgebauten Bauwagen. Der Camport war noch im Aufbau, und in den ersten Jahren war die Beleuchtung des abgelegenen Geländes oft dürftig oder fiel an manchen Tagen ganz aus. Wenn das Abendprogramm länger dauerte und die Dunkelheit hereinbrach, wurde der Weg zu den Unterkünften zur echten Herausforderung – besonders in bewölkten Nächten und dort, wo die Bäume so dicht standen, dass der letzte Lichtschein verschluckt wurde. Manche Nächte waren so stockdunkel, dass man die Hand vor Augen nicht sehen konnte, geschweige denn den steinigen, unebenen Weg unter den Füßen. Ohne Taschenlampe wurde jeder Schritt zur wackeligen Prüfung.
Kennt ihr solche Orte und Momente? Dann wisst ihr, wie selbst ein kleines Licht alles verändern kann – sei es der Mond, der hinter den Wolken hervorkommt, oder ein Licht
auf dem Weg.
<Eine weitere Kerze wird an der Hauptkerze entzündet.>
Die kleine Flamme ist von Hand zu Hand weitergereicht worden. Von Kerze zu Kerze. Von Mensch zu Mensch. Tausende Kilometer ist sie bis hierhin gereist. Sie wurde einst in Bethlehem entzündet – jenem Ort, der heute mehr ist als ein Punkt auf der Landkarte. Wir haben gerade in der Weihnachtsgeschichte davon gehört.
Vor über einem Jahr haben Pfadfinder sie an der Geburtsstätte Jesu entzündet und in die Welt getragen. Und ich habe sie am letzten Sonntag in Dortmund bei einer Feier entgegengenommen. Dieses Licht trägt die Botschaft der Hoffnung in sich, und ich möchte euch heute mitnehmen auf eine Reise – an einen Ort, der nicht nur eine Stadt, sondern ein Symbol für Frieden ist.
Bethlehem, gelegen im judäischen Gebirge, liegt auf etwa 900 Metern über dem Meeresspiegel. Der Name dieses Ortes bedeutet „Haus des Brotes“. Vielleicht bekam es diesen Namen, weil in der fruchtbaren Gegend reichlich Getreide wuchs, das die Menschen ernährte.
Doch Bethlehem ist mehr als das. Es ist ein etwas abseits gelegener Ort, an dem die Zeit langsamer zu vergehen scheint, wo die Hektik der Welt draußen bleibt und das Leben ein wenig einfacher, ein wenig menschlicher ist. Ich erinnere mich daran, wie ich selbst den Weg vom sehr lebhaften Jerusalem nach Bethlehem zu Fuß zurückgelegt habe. Zwei Stunden durch die Hügel, vorbei an Olivenhainen, Schafherden und durch ein stilles langes Tal. Je näher ich Bethlehem kam, desto mehr spürte ich die Ruhe dieses Ortes. Ja, auch in Bethlehem streiten sich Menschen oft und gerne auch laut. Ich habe einmal einen heftigen Streit um einen Parkplatz mitbekommen, der nur durch die örtliche Polizei deeskaliert werden konnte. Aber die Menschen halten auch zusammen. In der palästinensischen Bevölkerung wird niemand alleingelassen – nicht der Kranke, nicht der Arme. Das wäre eine Schande für die Familie. Das ist vielleicht nicht der edelste Grund, sich für andere einzusetzen, es funktioniert aber scheinbar irgendwie in einem Land, in dem es keine Krankenversicherung, keine Rentenversicherung und auch kein Bürgergeld gibt. Es reicht zumindest für jeden zum Überleben. Bekannte haben mir erzählt: Ist jemand krank und hat kein Geld, so werfen alle für Medikamente oder die Arztrechnung zusammen.
So war es wohl auch vor 2000 Jahren, als dieser kleine Ort in die Geschichte einging. Damals hatte der Kaiser in Rom eine Volkszählung angeordnet. Jeder musste in seine Geburtsstadt zurückkehren. So kam es, dass Josef, ein Zimmermann, der aus Bethlehem stammte, nun aber quasi auf Montage auf den Baustellen rund um das ferne Nazareth arbeitete, mit seiner schwangeren Frau Maria den weiten Weg auf sich nahm. Als sie in Bethlehem ankamen, war der Ort überfüllt. Es gab keine Unterkunft, kein Bett. Doch die Menschen hier fanden eine Lösung – Stichwort orientalische Gastfreundschaft.
Besser ein Viehstall in einer Grotte als gar nichts. Und genau dort, in dieser schlichten Umgebung, geschah das Wunder. Das Kind wurde geboren, in Windeln gewickelt und in eine Futterkrippe gelegt.
Die Nachricht verbreitete sich schnell. Hirten kamen vom Feld, ihre Gesichter vom Wind gezeichnet, doch ihre Augen strahlten vor Staunen. Weit entfernt hatten weise Männer einen besonderen Stern am Himmel gesehen, der sie zu diesem Ort führte. Arm und reich, nah und fern – alle kamen zusammen. Es war einfach nur himmlisch.
Ist es nicht erstaunlich? Ein Kind wird geboren, und alles ändert sich. Die Welt wird nicht auf einmal perfekt, aber sie wird ein Stück heller. Die dunkle Nacht wurde von der Freude eines neuen Anfangs erhellt, der Menschen zusammenführte.
Dieses Wunder, das damals begann, setzt sich seitdem fort. Seht euch um. So unterschiedlich wie Besucher am Stall, so unterschiedlich sind auch wir heute. Wir wurden hergeführt durch die Feier eines Geburtstages, der ein helles Licht auf diese Welt warf. Ein Licht, das durch die Zeit und die Dunkelheit getragen wird, bis zu uns.
Und das Wunder der Heiligen Nacht möchte weiterleben – in jedem von uns. Als Jesus älter wurde, hat er nämlich nicht aufgehört, Menschen um sich zu versammeln. Er liebte es, mit ihnen gemeinsam unterwegs zu sein und zu feiern. So eine Veranstaltung wie heute hätte er sich nicht entgehen lassen.
Er besuchte die Feste, wie sie gefallen sind: Eine Hochzeit in Kana, ein Erntedankfest und einmal auch ein Lichterfest, das heute noch in Israel gefeiert wird: Chanukka. Dort wurden gleich mehrere Lichter im Tempel entzündet.
Bei solchen Gelegenheiten sagte Jesus seinen Nachfolgern: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern er wird das Licht des Lebens haben.“ Und auch: „Ihr seid das Licht der Welt. Lasst euer Licht leuchten unter den Menschen.“
Und dazu braucht es eigentlich nicht viel. „Ich glaube, dass wir einen Funken jenes ewigen Lichts in uns tragen…“. Dieser Gedanke stammt nicht von mir, sondern von Johann Wolfgang Goethe.
Also ehrlich, ich frage mich dann doch manchmal, wo dieser Funke in mir ist.
Häufig fehlt mir ein Geistesblitz und ich grübele lange.
Dann möchte ich wie Dietrich Bonhoeffer beten:
Gott, zu dir rufe …
hilf mir beten und meine Gedanken sammeln;
ich kann es nicht allein.
In mir ist es finster, aber bei dir ist Licht.
Ich bin einsam, aber du verlässt mich nicht.
Ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe.
Ich bin unruhig, aber bei dir ist Frieden.
In mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist Geduld.
Ich verstehe deine Wege nicht,
aber du weißt den rechten Weg für mich.
Und manchmal gibt es Tage, da steht es mir klar vor Augen.
Und heute ist so einer. Spürt ihr es auch? Seht ihr es?
Falls nicht – dann schaut euch einmal nach links und nach rechts, und dann seht ihr. Die Lichter in diesem festlich geschmückten Raum. Und Menschen, die Kinder des Lichts sind. In jedem Lächeln. Aber auch in jeder Falte, die uns das Leben geschenkt hat, kann man das erkennen. Sie zeigen, dass wir gelebt haben. Dieser Raum ist voller Leben. Dieser Raum ist voll Licht.
Mit einem irischen Segensspruch wünsche ich euch ein gesegnetes Weihnachtsfest:
Gott schenke dir
jeden Tag ein fröhliches Herz,
ein Lächeln auf deinen Lippen,
ein Lachen, das andere mitreißt und frei macht,
und die Gabe, dich selbst nicht zu ernst zu nehmen
und auch über dich selbst lachen zu können.
In dunklen Stunden sende er dir einen Stern, der dich leitet;
in Traurigkeit einen Menschen, der dich tröstet.
Er schenke dir genügend Ruhe und Schlaf.
Herausforderungen sollen auch nicht fehlen,
zündende Ideen und funkelnde Überraschungen
gebe er dir als Zutaten.
Mit seinem Segen sei er dir alle Zeit nahe.
Christian Uhlstein, Landesjugendpfarrer der Ev. Kirche von Westfalen