Die Kunst des richtigen Loslassens
Eine Andacht am Aschermittwoch /zu Beginn der Passionszeit
Was kann ich mitnehmen – was hinter mir lassen?
Das Leben ist ja ein ständiges Sortieren: Was behalte ich, was lasse ich los? Alles, was wir besitzen, kann sowohl ein Schatz als auch eine Last sein. Ist die Hütte voll, passt nichts mehr hinein. Das wurde mir schmerzlich bewusst, als ich von einem großen Haus in eine kleinere Wohnung zog. Doch zugleich war es befreiend, mich von angesammelten Dingen zu trennen.
Der Aschermittwoch ist der Auftakt der siebenwöchigen Fastenzeit.
Für viele Menschen klingt Fasten nach Verzicht und Qual, doch für mich bedeutet es immer wieder eine Befreiung. Sieben Wochen ohne etwas machen mich frei – oder zumindest freier. Sieben Wochen ohne Süßigkeiten haben mich von meinem inneren Verlangen nach Schokolade befreit. Sieben Wochen ohne Fleisch haben mir gezeigt, dass ich gut ohne auskommen kann – und tatsächlich esse ich seither mehr Gemüse und fühle mich wohl dabei. Sieben Wochen ohne Smartphone? Das klappt für mich nicht. Doch ein Teilverzicht, etwa durch die Reduzierung auf eine gezielte Nutzung, hat ebenfalls positive Effekte.
Meine Erfahrung ist: Verzichten und Loslassen schaffen Freiräume für neue Erfahrungen.
Das Schöne ist: Wir können selbst wählen.
Gott hat uns die Fähigkeit zur Entscheidung geschenkt. Schon der Philosoph Epiktet erkannte:
„Das eine steht in unserer Macht: Annehmen und Auffassen,
Handeln wollen,
Begehren und Ablehnen,
alles, was wir selbst in Gang setzen und zu verantworten haben.
Nicht in unserer Macht liegt:
Unser Körper, unser Besitz, unser gesellschaftliches Ansehen –
kurz: alles, was wir nicht selbst in Gang setzen können.“
In unserer modernen Welt mag es möglich sein, Besitz zu vermehren oder Ansehen zu gewinnen. Doch spätestens bei unserem Körper stoßen wir an Grenzen – ihn können wir nicht wechseln.
Die Kunst des richtigen Loslassens
Doch manches ist veränderbar. Darüber nachzudenken und es zu erproben, dafür ist die Passionszeit eine prima Gelegenheit. Sie lädt uns ein, bewusste Entscheidungen zu treffen und Gottvertrauen einzuüben. Zum Beispiel durch das Sprechen des bekannten Gelassenheitsgebet von Reinhold Niebuhr:
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Christian Uhlstein, Landesjugendpfarrer der Ev. Kirche von Westfalen