Der fremde Christus
Ein Blick über die Grenzen
Evangelium Matthäus 16: Da kam Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi und fragte seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei? 14 Sie sprachen: Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten. 15 Er sprach zu ihnen: Wer sagt denn ihr, dass ich sei? 16 Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist der Christus, des lebendigen Gottes Sohn!
Zur Entpflichtung heute möchte ich uns einladen, einen kleinen Schnellkurs über Jesus Christus einzulegen. Mitnehmen möchte ich uns heute auf eine kleine Reise zu dem fremden Christus, wie ich ihn nenne. Der uns fremde Christus.
Was machen sich die Leute für Vorstellungen, für Bilder über mich? Fragte Jesus seine Jünger und bekam nicht wenige Antworten. Es hätte schlimmer kommen können: nämlich dass gar nichts gesagt wird. Das kennen wir auch: Das über uns gar nichts gesagt wird, sondern nur über die da oben geschrieben und geredet wird. Das man uns gar nicht sieht. - Aber über Jesus machte man sich viele Vorstellungen: der Messias, der Friedefürst, ein Prophet, der wiedergekommene Johannes… Das kennen wir auch: den anderen irgendwie einordnen zu wollen. Ihn irgendwie zuzuordnen, damit er uns nicht fremd bleibt. Das Fremde soll eingetütet, in die Hosentasche gesteckt werden.
Ich habe gelernt: Jesus ist nicht der Besitz der Kirche. Er wandte sich allen Menschen zu, und warum sollten sein Wirken und sein Geist nicht überall zu finden sein?
1) Buddhisten
Die Franziskaner kamen nach Japan 1500 und schrieben dem Papst, hier könnten sie nichts mehr ausrichten. Die lutherische Ketzerei habe schon um sich gegriffen. Tatsächlich aber waren sie auf den Amida-Buddhismus gestoßen. „Rufe den Buddha an in der Not, so wirst du sofort gerettet sein“, ist die Devise des Amida-Buddhismus. Eine japanische Rechtfertigungstheologie ganz zeitgleich zu Luthers Ringen um einen gnädigen Gott.
Karl Barth fragte sich, ob es möglich ist, dass Gott sich außerhalb von Christus noch einmal geoffenbart habe. Sola fide, sola gratia, sola scripture, solus Christus – allein aus Glauben, allein aus Gnade, allein die Schrift (keine Autoritäten), allein Christus – all das fand sich im Amida-Buddhismus.
Ich habe gelernt: Selbst da, wo nicht explizit von Jesus gesprochen wird, finden wir einen Glauben daran, dass Gott sich uns ganz persönlich zuwendet.
2) Hinduismus
Shakti, die Liebe zu dem einen Gott
Jesus steht in den Hindu-Tempeln. Natürlich gilt er als eine Inkarnation Gottes, als eines der 1000 Gesichter, in denen Gott sich uns zuwendet. Dogmatische Spitzfindigkeiten liegen dem Hinduismus fern; jeder Mensch, jedes Ereignis kann zum Widerschein Gottes werden. Selbst in der Fliege offenbart sich die Herrlichkeit Gottes. Um auch hier ein Vorurteil aufzuräumen: Natürlich ist Gott einzig, aber nicht von uns erkennbar, weshalb wir mit den 1000farbigen gebrochen Lichtstrahlen vorlieb nehmen müssn.
3) Islam
die 99 Namen Gottes
Jesus gilt als der größte Prophet. Mohammed selbst bezeichnete sich nicht als Prophet. Mohammed fand jede Menge Streit um 600 n. Christus in Arabien vor. „Der Sohn Gottes“ – biologisches Missverständnis. zwischen Monophysiten und Dyophysiten – eine eine göttliche Natur oder eine göttliche und menschliche Natur, unvermischt und ungetrennt. Das war eine große Streiterei im heutigen Arabien Daraus entsprang der Islam. Der führt sich aus Ismael zurück. Die Geschichte dazu erzählt, dass Abrahams Frau Sara lange Zeit nicht schwanger wurde. Dafür bekam Abraham von Saras Magd Hagar einen Sohn, nämlich Ismael. Als Sara schon ziemlich alt war, brachte sie mit Isaak doch noch ein eigenes Kind zur Welt. Danach überredete sie Abraham, Hagar und Ismael zu verstoßen. Navid Kermani.
4) Judentum
Jesus wuchs im jüdischen Glauben auf, war Jude. Unser Kirchraum hier weist auf unsere Verbindung zum Judentum hin. Die 6 Leuchter mit dem Kreuz in der Mitte knüpfen an den siebenarmigen Leuchter an, den jüdische Familien am Beginn des Sabbath jede Woche anzünden. Der Abendmahlstisch ist in der Basis ein ausgeschnittenes U, in das wie ein Block dann die Tischplatte eingelassen ist. Sinnbild dafür, dass unsere Wurzeln untrennbar mit dem jüdischen Glauben verbunden sind.
Die Intention der hebräischen Bibel (ich vermeide bewusst den Terminus Altes Testament, denn es gibt da kein alt und neu) kann so zusammengefasst werden: Gott thront nicht mehr überm Sternenzelt. Er wird zu einem Gott, der sich zuwendet. Nicht nur individuell, sondern in der Geschichte des Volkes Israel. EXODUS! Gott als Herr der Geschichte. Das meint nicht: Der Oberkontrolleur. Sondern: Gott ist das Ziel unserer menschlichen Geschichte und unserer menschlichen Existenz. Das Reich Gottes ist mitten unter uns. So fasst es Jesus in seinem jüdischen Glaubensworten zusammen.
5) Christen
Wir Christen glauben an Jesus als Ebenbild des Unsichtbaren. Wie es in einem alten Hymnus im Philipperbrief heisst. Christus. mit dem Gottes Reich gekommen ist und angefangen hat, aber noch nicht vollendet ist. So sehr Ebenbild Gottes, das wir im Scheitern Jesu am Kreuz das Scheitern Gottes zu erleben vermeinen. So sehr Ebenbild, dass wir glauben, der Tod ist besiegt.
Tollkühn sind wir Christen: Kühn, weil wir uns auf das Unmögliche einlassen. Toll, weil wir es gegen jedes bessere Wissen tun, das uns weismachen will, die Geschichte sei so, wie sie ist.
Der Tod umgibt uns diese Tage auf schrecklichste Weise. Christus im Fremden zu sehen - kann das bis zum uns gänzlich Fremden gehen? Der gänzlich Fremde ist der Feind. Kann Christus die Feindschaft überbrücken? Der ganz Andere ist der mir bedrohlich Fremde. Noch da Christus zu erkennen in Mauern, Brüchen, Gräben, offenen Feindseligkeiten – ist das möglich? Dass Christus uns verbindet, über Ukrainer, Russen, Deutsche, Franzosen hinaus? Paulus sagt: Der Tod ist unser Feind, und der Tod kommt diese Tage aus Moskau. Ein Brückenbau bis dahin – eine Unmöglichkeit? Oder trägt uns unser Glaube und unsere Zuversicht, dass der Tod mit Christus seine Macht verloren hat?
Im Evangelium taucht das „Du“auf. Was denkst du, Petrus. Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn! 17Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon. Das wünsche ich uns von Herzen, dass wir in diesem Du mit Christus und miteinander verbunden bleiben.
Ein bisschen Musik dazu unter:
youtu.be/XV8CnGIW_dI