sammlung

Brüche im Leben

Bruchstückhaft An-ge-dacht

Seit einiger Zeit gehe ich den Brüchen im Leben nach. In Gedanken auf sehr unterschiedliche Weise. Ein paar dieser Gedanken will ich heute mit Euch teilen. Ob die drei Stränge, denen ich nachspüre, ein Ganzes geben, oder Bruchstücke bleiben, müsst ihr Entscheiden. Aber selbst als Bruchstücke, kommen sie den Brüchen im Leben nahe. Ich nehme Euch mit, in eine Andacht, die genau das ist, an–ge–dacht.

Der erste Strang war das Lied von Herbert Grönemeyer. Mensch. Wir haben es eben gehört, vielen von Ihnen ist es sicher vertraut. Grönemeyer singt:
Und der Mensch heißt Mensch
Weil er vergisst,
Weil er verdrängt
Und weil er schwärmt und stählt
Weil er wärmt, wenn er erzählt

Und der Mensch heißt Mensch
Weil er irrt und weil er kämpft
Und weil er hofft und liebt,
Weil er mitfühlt und vergibt

Und der Mensch heißt Mensch
Weil er vergisst,
Weil er verdrängt
Und weil er schwärmt und glaubt,
Sich anlehnt und vertraut

Das ist nicht das Bild eines strahlenden Menschensiegers, dass er hier beschreibt. Das ist das Bild eines Menschen, der Höhen und Tiefen erlebt, der das erlebte ebenso zu verdrängen sucht, wie er dennoch hofft. Vergessen-verdrängen-glauben-vertrauen Das macht, so Grönemeyer, den Menschen aus.
Eine sehr dankbare Sichtweise, wie ich finde.
Herbert Grönemeyer schätze ich dafür, immer wieder für sehr komplexe Sachverhalte, einfach Worte zu finden.

Mein zweiter Gedanke, den ich bewege, ist der eines zerbrochenen Blumentopfes. Der Tontopf ist zerbrochen, er kann weder Erde noch Wasser halten. Nun ist die Frage, wie ihn richten?
Ich kann den Blumentopf mit Klebeband umwickeln, nicht schön, aber zweckmäßig. Seine Funktion wird er erfüllen können. Vielleicht nicht lange, denn das Klebeband ist keine Dauerlösung, dann wir er wieder undicht.
Ich kann versuchen den Tonkrug mit Kleber zu richten. Nun die feinen risse wird man sehen und den Kleber kriege ich auch nicht Spurlos ab, doch der Topf wird halten und ganz so unansehnlich ist er auch nicht.
In Japan gibt es eine dritte Methode:Kintsugi – oder ähnlich ausgesprochen. Hier wird die Keramik mit einem Kleber gerichtet, der mit Goldstaub angereichert ist. Der Bruch bleibt nicht nur sichtbar, er wird durch Gold hervorgehoben und macht auch das besondere, das einzigartige dieses Blumentopfes ab jetzt aus. Mit Goldlack reparierte Keramik, ist zu unterscheiden von all denen, die aus der Fabrik kommend eintönig und uniform sind
In jeden Fall bleibt der Bruch sichtbar, darin ähnelt der Topf einem Menschen. Auch wir behalten Narben und Erinnerungen an die Bruche in unserem Leben zurück. Wir sind einzigartig, auch durch die Brüche in unserem Leben.

Und in der Bibel, wie wird da mit Brüchen im Leben umgegangen und wie geht im speziellen Jesus mit Brüchen um?
Ich habe mir die Geschichte der Ehebrecherin einmal mit dieser Brille vorgenommen. Ihr kennt sie denke ich alle. Die Ehebrecherin wird von Jesus gestellt, er sagt „wer unter Euch ohne Sünde ist werfe den ersten Stein“ alle gehen, die Frau bleibt zurück und auch Jesus verurteilt sie nicht.
Was für ein Bruch bei der Frau! Vor 2000 Jahren in einer patriarchalen hieratischen Gesellschaft des Ehebruch bezichtigt zu werden? Selbst ohne eine Verurteilung und ohne die Strafe, ihr Leben ist erstmal kaputt. Was wird aus wird werden? Ich könnte mir vorstellen, dass die feministische Theologie hier einiges zu sagen hat.
Warum kann Jesus sie nicht lossprechen, den Bruch ungeschehen machen, alles für nicht wahr erklären? Kann es sein, dass Jesus auch diese Brüche in seinem Leben kennt?
Kann es sein, dass er ebenso wie alle Menschen, wenn er in seine Vergangenheit blickt, nicht auf alles Stolz ist, dass er ebenso Narben aus der Vergangenheit trägt und damit an seinem eigenen Wort gemessen, gar nicht werfen kann? Das er ebenso wie all die anderen keinen Stein werfen kann, weil er nicht ohne Fehler ist?
Eine Vorstellung, die zugegeben, erst einmal irritiert. Jesus als ein Mensch mit Narben. Und doch, wie kann ich ihn anders denken. Einen dreißigjährigen Mann, ohne Spuren der Vergangenheit, ohne Brüche und Kriese im Leben? Das wäre doch kein Mensch. Und so muss ich ihn ebenso denken, als Mensch der ebenso wie ich, Zeiten hatte, auf die er nicht stolz ist. Wo er im Rückblick eher etwas anderes getan hätte.
Und vielleicht ist das eine Spur, auf der ich dann Gott etwas nahe komme.
Jesus wird, von den Römern am Ende final gebrochen. Gekreuzigt. Von allem entrissen. Zu Tode gefoltert. Und selbst diesen Bruch im Leben überwindet er. Nicht ohne Narben. Nicht ohne Veränderung.
Vielleicht ist es genau das was Gott mir damit sagen will: Ich beschütze dich nicht vor dem finsteren Tal, ich werde dein Leben nicht ohne Brüche und Rückschläge laufen lassen. Aber ich werde bei dir sein und werde dir helfen dass Wunden verheilen, dass Brüche geflickt werden, dass dein Leben ein gelingendes Leben ist. Ich bleibe bei dir in deinem Leben, und ich werde dich begleiten, mit all der Liebe die ich zu dem Menschen habe.

Dann ist Gott derjenige, der uns für unsere Brüche Goldlack anbietet. Er ist es, der uns einzigartig werden lässt. Er ist es, der unser Leben begleitet.

Und der Mensch heißt Mensch,
Weil er vergisst,
Weil er verdrängt
Und weil er schwärmt und glaubt,
Sich anlehnt und vertraut
Bibelstellen zur Andacht:
Joh 8,2 - 11

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